VMZ wehrt sich gegen Schwächung des Öffentlichkeitsprinzips

Der Bundesrat plant künftig Vereinbarungen zu Preismodellen im Krankenversicherungsgesetz (KVG) vom Öffentlichkeitsgesetz auszunehmen. Das ist ein scharfer Angriff auf das Öffentlichkeitsprinzip. Der Verband Medien mit Zukunft setzt sich zusammen mit einer breiten Medienallianz (Öffentlichkeitsgesetz.ch, investigativ.ch, Verband Schweizer Medien, SRG SSR, TELESUISSE, Medien mit Zukunft, Reporter ohne Grenzen, Syndicom, SSM, MAZ) gegen die geplante Ausnahmebestimmung ein.

In der Revision des Krankenversicherungsgesetzes sieht der Bundesrat vor, das Öffentlichkeitsprinzip bei der Festsetzung von Medikamentenpreisen ausser Kraft zu setzen: Die Schweiz galt lange als vorbildlich für ihre transparente Medikamenten-Preispolitik. Weil aber immer mehr kassenpflichtige Arzneimittel mit einem geheimen Preis auf die Spezialitätenliste gesetzt werden, steht sie nun unter Kritik. Mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes will der Bundesrat diese Preismodelle als Instrument der Preispolitik gesetzlich verankern.

Dies seien «unumgängliche» Restriktionen zu Ungunsten der Transparenz.  Er argumentiert, der Markt sei nicht bereit, hier Transparenz zuzulassen. Es sei nötig, den effektiven Preis, der für ein Arzneimittel bezahlt werden muss, geheim zu halten. Nur so profitiere die Bevölkerung von einem schnellen Zugang zu neuen innovativen Therapien.

Die Allianz gegen das Vorhaben des Bundesrats sieht sechs Gründe, die gegen den Vorschlag sprechen:

  • Kostentransparenz im Gesundheitswesen ist wichtig

Der Rückschritt in Richtung Geheimhaltungsprinzip ist störend, weil ein breiter gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Konsens über die Wichtigkeit von Kostentransparenz im Gesundheitswesen besteht. Studien zeigen, dass – anders als von Interpharma behauptet – vertrauliche Preismodelle weder zu schnellerem noch zu günstigerem Zugang zu Medikamenten führen.

  • Vorhandene Ausnahmebestimmungen im BGÖ reichen aus

Eine gute Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist auch mit den geltenden Transparenzregeln sicherzustellen. So ermöglicht es das aktuelle Gesetz zum Beispiel unter Artikel 73 bereits, Ausnahmen hinsichtlich wirtschaftlicher Interessen zu erlassen, wie etwa in Bezug auf das Geschäftsgeheimnis.

  • Eine öffentliche Kontrolle ist auch bei der Preisfestsetzung von Medikamenten wichtig

Es ist die Aufgabe von Medienschaffenden, die Vorgänge kritisch zu begleiten, welche zur Festsetzung von Preisen für Medikamente führen. Recherchen von Medienschaffenden haben gezeigt, dass etwa bei der Preisfestsetzung von teuren Krebsmedikamenten zwischen Verwaltung und Pharmaunternehmen ein teilweise wildes Pokerspiel stattfindet. Wird das Öffentlichkeitsprinzip in diesem Bereich ausser Kraft gesetzt, können Medienschaffende oder zivilgesellschaftliche Expert:innen auf solche Missstände nicht mehr hinweisen.

  • Grosse Kritik von Parteien, Wirtschaftsverbänden und der Staatspolitischen Kommission

Die Ausnahme vom Öffentlichkeitsgesetz wurde in der Vernehmlassung von einer Mehrheit abgelehnt. Dazu gehören Teile der politischen Parteien (SP, Grüne, EVP), der Dachverbände der Wirtschaft, der Leistungserbringer, der Patientenorganisationen und die Mehrheit der Versicherer und Konsumentenverbände. Auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats hat sich zur Revision geäussert und lehnt den Vorschlag des Bundesrates ab.

  • Transparenz entspricht der etablierten Rechtspraxis

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ausnahmeregelung stellt eine systemwidrige Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips dar, wie es zu Recht auch der auf das Thema spezialisierte Jurist Markus Prazeller in einer Kurzstudie darlegt. Laut der Analyse betreibt der Bundesrat damit «Wirtschaftspolitik auf Kosten der Transparenz und des Öffentlichkeitsprinzips». Diese Ausnahmebestimmung untergräbt die Absicht des Öffentlichkeitsgesetzes. Schaffen Bundesrat und Parlament hier einen Präzedenzfall, besteht die Gefahr, dass das BGÖ künftig von verschiedenen Interessengruppen angegriffen und schrittweise abgebaut wird.

  • Die WHO setzt sich für eine stärkere Transparenz in den Verfahren der Preisfestsetzung ein

Die Schweiz unterstützt das Anliegen der WHO offiziell. Eine Aushöhlung des Öffentlichkeitsprinzips im Bereich der Medikamentenpreise würde diesen offiziellen internationalen Bemühungen der Schweiz um Transparenz in Preisfestsetzungsverfahren zuwiderlaufen.

Hier geht es zum ganzen Argumentarium: https://www.oeffentlichkeitsgesetz.ch/deutsch/files/2023/09/Argumentarium_KVG_Oeffentlichkeitsgesetz.ch_und_investigativ.ch_.pdf