Das neue Whitepaper «Non-Profit-Journalismus» der Autoren Leif Kramp und Stephan Weichert zeigt Perspektiven für einen gemeinnützigen Journalismus in Deutschland auf. Sie schlagen konkrete Veränderungen an den Regulierungen und Förderstrukturen vor, um dem Non-Profit-Journalismus den Rücken zu stärken. Zu welchen Ergebnissen sind sie konkret gekommen und welche Erkenntnisse könnten in der Schweiz Anwendung finden?
Die Werbeeinnahmen der Medien schwinden, Kosten für Produktion und Vertrieb steigen. Besonders die kleinen und unabhängigen Medien stehen unter Druck. Was tun? Eine Möglichkeit ist es, Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen. Das birgt Steuervorteile und erlaubt eine Finanzierung über Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure. Um diese Lösung attraktiver zu machen, braucht es aber Anpassungen in der Branche.
Das betonen auch Leif Kramp und Stephan Weichert in ihrem Whitepaper «Non-Profit-Journalismus» der Otto Brenner Stiftung. Kramp forscht und lehrt am fachübergreifenden Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen, Weichert ist Professor für Journalistik und Kommunikationswissenschaft und hat die Non-Profit-Organisation VOCER und das dort angegliederte unabhängige Institut für Digitale Resilienz mitgegründet. Dieses organisierte Anfang Oktober ein Festival zu Non-Profit-Journalismus in Berlin, bei dem der Verband Medien mit Zukunft (VMZ) gemeinsam mit seinen Mitgliedern WOZ, Bajour, Hauptstadt, We.publish und Tsüri.ch vertreten war.
Die beiden Autoren schlagen etwa vor, den administrativen Weg zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu erleichtern. Bisher sei dieser Weg viel zu umständlich, besonders was die Steuerbefreiung angeht. In Deutschland wäre daraus ein Spannungsfeld aus Unsicherheiten, Abhängigkeiten und Konkurrenzen zwischen verschiedenen Akteur:innen entstanden. Sie empfehlen deswegen, die Förderstrukturen stärker zu zentralisieren: Es sollte eine übergreifende Organisation geschaffen werden – «zur aufeinander abgestimmten, mehrstufigen Förderung auf europäischer Ebene» unter Einbeziehung verschiedenster Förderinstitutionen wie Stiftungen, staatliche Förderstellen oder privaten Spender:innen oder Mäzen:innen.
Eine weitere Hilfe für den Non-Profit-Journalismus könnte ein Zusammenschluss zu einer Non-Profit-Allianz sein, was ein geteiltes Begriffsverständnis von Gemeinnützigkeit ermöglichen würde. Solch eine Allianz würde zudem erlauben, eine gemeinsame Zielrichtung des Non-Profit-Sektors sowie einheitliche Kriterien für Förderungen zu etablieren. Zudem könne Non-Profit-Journalismus zum «Game Changer» für den Journalismus werden, «wenn sich die Förderkulisse und Spendenbereitschaft in den kommenden Jahren radikal wandelt», so Stephan Weichert. Um die Form des Non-Profit-Journalismus generell attraktiver zu machen, schlagen die Autoren vor, eine zentrale unabhängige Beratungs- und Anlaufstelle für journalistische Gründungswillige zu errichten, die sich auf Gemeinnützigkeit und Gemeinwohlorientierung fokussiert.
Zeitliche Befristungen der Förderbeiträge sowie an Impact-Messungen geknüpfte Kriterien machen es für gemeinnützige Verlage noch immer schwierig, langfristig in die Zukunft zu denken. Zudem laufen sie Gefahr, fremdbestimmt agieren zu müssen und so Spielball von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu werden. Um diese Einflussnahme zu vermeiden, plädieren die Autoren für Transparenz, «und zwar von der Selbstverpflichtung zur Einhaltung professioneller Standards über die Kennzeichnung der eigenen Einnahmen bis hin zur Ausflaggung der publizistischen Agenda».
Schliesslich betonen sie auch die Rolle von Schnittstellenorganisationen im Feld des gemeinnützigen Journalismus, wie etwa der VMZ eine ist. Diese könnten durch die Organisation von Trainings, Studien, Weiterbildungsangeboten und Netzwerkveranstaltungen zwischen journalistischer Praxis, Förder:innen und der Öffentlichkeit agieren und zudem zwischen verschiedenen Akteur:innen neutral moderieren.
Die Ergebnisse der Studie sind auch für die Schweiz relevant. Eine Zentralisierung der Förderinstitutionen könnte in der Schweiz den gemeinnützigen Journalismus vorantreiben. Zu prüfen wäre, wie wir diese Vorstösse auf die nationale Ebene hieven, ohne die Kantone zu vergessen, also wie sich die in der föderalen und kleinräumigen Schweiz realisieren lässt.
Das Zusammenführen einer Non-Profit-Allianz würde bedingen, dass diverse Branchenakteur:innen die Lage endlich ehrlich beschrieben: Der Journalismus (auch in der Schweiz) ist kein profitables Geschäft mehr. Am Leser:innen- und Inserent:innenmarkt allein wird eine Finanzierung der medialen Abdeckung der Schweiz nicht zu bewerkstelligen sein, die Grundlage für eine funktionierende (direkte) Demokratie ist. Die Konkurrenz um die wenigen Fördertöpfe privater und öffentlicher Art ist nur wenig produktiv und birgt viele Reibungsverluste. Eine Allianz könnte die Aufmerksamkeit auf das Thema nachhaltige Medienfinanzierung bringen und den Entscheidungsträger:innen dieses Landes in der Politik, in den Stiftungen und in der Wirtschaft verdeutlichen, wie ernst es um die Schweizer Medienlandschaft bestellt ist. Auch die Öffentlichkeit könnte in dieser Frage besser informiert sein.
Klar ist, dass sich die Zahlungsbereitschaft ändern muss, was eine breite Anerkennung des Stellenwerts eines unabhängigen, hochstehenden Journalismus für eine Demokratie voraussetzt. Unter anderem dafür setzt sich der VMZ als Schnittstellenorganisation ein. Angesichts der schwierigen Lage, in der sich besonders kleine Verlage in der Schweiz befinden, ist eines offensichtlich: Es braucht neue Lösungen.