Seit dem Scheitern des Medienpakets wird das Gesetzesprojekt zum Leistungsschutzrecht in Sachen Medienfinanzierung als einzige Hoffnung gehandelt. Der Verband Medien mit Zukunft (VMZ) als Vertreter 25 konzernunabhängiger Verlage sieht die ganze Sache kritisch.
Der VMZ hat sich in der Vergangenheit intensiv für eine stärkere Medienförderung eingesetzt. Eines unserer Kernanliegen ist es, das Überleben der kleinen und unabhängigen Verlage in der Schweiz zu sichern und damit die Medienvielfalt, die für eine stabile Demokratie unabdingbar ist, zu erhalten. Dabei verstehen wir die Digitalisierung grundsätzlich als Chance. Das vorgesehene Leistungsschutzrecht, das neue Regulierungen im digitalen Bereich einführen will, setzt jedoch falsche Anreize und verdrängt massiv notwendige Reformdebatten in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung.
Grundsätzlich profitieren die Medien sehr stark von Plattformen: sie sind wichtige Reichweitengeneratoren. Es ist falsch, Plattformen wie Google eine Mitnahmementalität zu unterstellen – die jeweilige Linksetzung findet nicht gegen den Willen der Medien statt. Vielmehr kann jedes Medium den Zugang für Tech-Konzerne zu den journalistischen Inhalten einfach blockieren. In diesem Zusammenhang ist ausserdem unklar, weshalb nur Medienverlage für ihre Links entschädigt werden sollen. So liefern etwa auch Onlinelexika und Blogs relevante Informationen.
Das Leistungsschutzrecht als «Linksteuer» verstösst zudem gegen ein wesentliches Grundprinzip des Internets: die freie Verlinkung. Wer bei einer Suchmaschine einen Begriff eingibt, erhält nur deswegen viele Vorschläge, weil etliche Webseiten mit der Plattform verlinkt sind. Dadurch können journalistische Inhalte gefunden und Teil der öffentlichen Debatte werden.
Zudem setzt das Leistungsschutzrecht fragwürdige Anreize. In erster Linie werden journalistischer Mainstream und Boulevardberichterstattung gefördert, hohe Reichweiten werden honoriert. Es besteht die Gefahr, dass die grossen Verlage überproportional von der Link-Steuer profitieren, während die kleinen Verlage benachteiligt würden. Gemäss VOX-Studie war genau diese Ungleichbehandlung eine Hauptmotivation für die Stimmbevölkerung, das Medienpaket im Februar 2022 abzulehnen.
Beispiele aus dem nahen Ausland zeigen, wie weit die Forderungen der grossen Verlage und die am Schluss ausgezahlten Summen auseinanderklaffen. In Deutschland wurden im Rahmen des eingeführten Leistungsschutzrechtes 420 Millionen Euro von Google gefordert. Am Schluss hat ein Schiedsgericht die Summe, die an die deutschen Medienverlage ausgezahlt werden soll, auf 5.8 Millionen Euro festgelegt. Ähnlich könnte es in der Schweiz kommen – die erhaltene Summe wäre angesichts der unterschiedlichen Bevölkerungszahl sogar wohl noch bedeutend kleiner.
Schaut man das Leistungsschutzrecht also aus einer medien- und netzpolitischen sowie einer ökonomischen Perspektive an, wird klar: Die Nachteile überwiegen eindeutig.
Fest steht: Eine vertiefte politische Auseinandersetzung mit konkreten Finanzierungsmassnahmen für die Medien in der Schweiz tut not. Die Debatte um das Leistungsschutzrecht verdrängt massiv notwendige Reformen in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung. Fast die ganze Aufmerksamkeit einer Branche verharrt auf einem Vorschlag, der sich aus den genannten Gründen als Sackgasse entpuppen wird. Dabei sind konkrete, schnell umsetzbare Massnahmen für eine nachhaltige Medienfinanzierung von grösster Dringlichkeit – schliesslich geht es um eine höchst demokratierelevante Branche.