Auf Anweisung des Verlegers Pietro Supino wurde ein Artikel des «Tages-Anzeigers» von der Website gelöscht. Die Gründe dafür: höchst vage. Das zeigt eine neue «Republik»-Recherche. Der Verband Medien mit Zukunft (VMZ) sieht darin eine erhebliche Gefahr für die Medienfreiheit.
Der VMZ steht für unabhängigen Journalismus und eine gesunde Medienbranche ein. Diese Werte machen es nötig, zu einer neuen Recherche der «Republik» Stellung zu beziehen. Denn der aufgedeckte Fall gibt Anlass zur Sorge.
Im November 2023 erschien im «Tages-Anzeiger» ein Artikel, der von schwerwiegenden Vorfällen in einem EPI-Wohnwerk in der Stadt Zürich berichtete. Einige Tage später soll Pietro Supino, der Verleger der TX Group, die Autorin des Artikels an einem Treffen mehrerer Tamedia-Redaktionen frontal attackiert haben. Der Text weise grobe handwerkliche Fehler auf, so Supino gemäss der «Republik». Seine Tirade habe in folgender Aussage gegipfelt: «Ich schäme mich für diesen Text. Er ist inakzeptabel.»
Einige Tage später wurde der Artikel von der Website des «Tages-Anzeigers» gelöscht, obwohl auch der herbeigezogene Tamedia-Recherchedesk keine Mängel im Vorgehen der Redaktorin habe feststellen können. Auch die Kommunikationsabteilung des Verlags gesteht der «Republik»: «Eine offizielle, hausinterne Prüfung in Kenntnis aller (…) Umstände, insbesondere der mangelhaften Bebilderung und fehlenden Vor-Ort-Recherche, hat bei Tamedia nicht stattgefunden.»
Nach der Löschung habe die journalistische Leitung mehrmals dafür plädiert, den Artikel erneut zu veröffentlichen, so die «Republik». Sie sei jedoch erfolglos geblieben. Auf Nachfrage des Onlinemagazins teilte die Schweizerische Epilepsie-Stiftung mit, nie einen Antrag auf Depublikation gestellt zu haben.
Grund für die Löschung war demnach sehr wahrscheinlich Supino persönlich. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Verleger in redaktionelle Entscheidungen einmischt: Schon vor zwei Jahren wurde ein Journalist des Zürich-Ressorts entlassen, nachdem er bei Supino in Ungnade gefallen war. Darauf folgte Protest der Redaktion, der aber nichts nützte.
Dieses Vorgehen ist aus Sicht des VMZ höchst problematisch und inakzeptabel: Die innere Pressefreiheit ist ein unbedingt schützenswertes Gut. Sie garantiert unabhängige, kritische Berichterstattung und bildet damit das Fundament einer aufgeklärten Gesellschaft in einer gesunden Demokratie. Sie zu ignorieren untergräbt die Glaubwürdigkeit des Journalismus und der Medienbranche. Es darf nicht sein, dass ein Verleger dieses Recht, sogar bei Gegensteuer der Redaktionsleitung, ohne Weiteres missachtet.
Transparenzhinweis: Das Onlinemedium «Republik» ist Mitglied des VMZ, Redaktor Dennis Bühler ist einer von fünf Vize-Präsident:innen des Verbands.