Das neue Parlament muss sich der Medienkrise stellen

Die Schweizer Stimmbevölkerung hat kürzlich ein neues Parlament gewählt; und währenddem etliche Medien beflissen über die Wahlen berichteten, vergisst man schnell, wie es eigentlich um die hiesige Medienlandschaft steht: Die Finanzierungsquellen brechen weg, die Vielfalt erodiert. Um die Branche nicht weiter zu schwächen, muss das Parlament in der kommenden Legislatur Haltung zeigen und sich ernsthaft mit der Medienkrise auseinandersetzen.

Medienpolitik interessiert in der breiten Bevölkerung leider kaum. Dennoch bestimmt sie massgebend darüber, wie es um die vierte Gewalt steht und folglich auch, wie gesund eine Demokratie ist. Nachdem 2022 mehrere kleine Medien wie «Higgs», «Kolt» oder die «Medienwoche» eingingen, hörte man 2023 regelmässig von Massenentlassungen bei Grossunternehmen der Medienbranche – so etwa Ende September von Tamedia, wo rund 50 Stellen gestrichen werden, oder Ende Oktober von «20 Minuten», wo voraussichtlich 35 Stellen abgebaut werden. Diese Entwicklung ist erschreckend, kommt aber nicht überraschend: Denn die Krise ist nicht erst seit gestern akut. Umso wichtiger sind nun neue medienpolitische Lösungen. Konkret braucht es Massnahmen wie etwa eine vektorneutrale Förderung der Medien.

Die heutige staatliche Förderung klammert Onlinemedien aus, womit sie der Verlagerung der Branche in den digitalen Raum kläglich hinterherhinkt. Aber nicht nur Onlinemedien, sondern generell kleine und unabhängige Verlage können sich wegen wegbrechender Werbegelder und wandelndem Nutzungsverhalten teils trotz staatlicher Unterstützung nur noch knapp über Wasser halten. Gleichzeitig nimmt die Konzentration des Medienbesitzes der grossen Konzerne zu, was die Medienfreiheit gefährdet. Um die Vielfalt zu erhalten, kommt die Schweiz nicht darum herum, eine neue Medienförderung aufzugleisen. Eine, die besonders den Kleinen zugutekommt. Und dass dies ein gangbarer Weg ist, bestätigte auch die VOX-Analyse nach der Abstimmung über das Medienpaket: Das Hauptargument, warum das Mediengesetz abgelehnt wurde, war, dass die grossen Konzerne zu viel Geld bekommen hätten.

In diesen Krisenzeiten plädieren die Grossen nun für ein Leistungsschutzrecht, durch das sie sich einen Zustupf von Plattformen wie Google erhoffen. In Tat und Wahrheit verhält es sich dabei aber um eine Sackgasse: Die Vorlage birgt besonders für die kleinen Verlage erhebliche Gefahren und verdrängt massiv notwendige Reformdebatten in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung. Und falls die Vorlage überhaupt angenommen wird, werden die Medien nach mehreren Jahren im besten Falle nur Brosamen ernten.

Daneben konzentriert sich die medienpolitische Aufmerksamkeit auf die SRG-Halbierungsinitiative, die letztendlich den Service Public zerschlagen möchte. Sie ist ein Angriff auf die Werte, die eine aufgeklärte Gesellschaft ausmachen. Als wäre das nicht schon genug, verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA stetig. Verantwortlich dafür ist jedoch nicht nur die Medienkrise, sondern auch das falsche Finanzierungsmodell: Die Verlagshäuser sind heute sowohl Kund:innen als auch Eigentümer:innen, was besonders in Krisenzeiten zu Zielkonflikten führt. Hier ist eine Umstrukturierung dringend notwendig.

«Die Aussichten scheinen düster, doch wir wollen auch keine Schwarzmalerei betreiben. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Das neugewählte Parlament muss nun Rückgrat beweisen und sich diesen Problemen gewissenhaft annehmen. Das ist nicht nur wichtig für die vielen kleinen Medien, die Mitglieder beim Verband Medien mit Zukunft sind, sondern notwendig für eine aufgeklärte Gesellschaft und eine gesunde Demokratie», sagt Camille Roseau, Co-Präsidentin des VMZ.