In seiner Vernehmlassungsantwort lehnt der Verband Medien mit Zukunft (VMZ) das geplante Leistungsschutzrecht vollständig ab: Die Vorlage ist ungeeignet, um auf die sich zuspitzende Medienkrise zu reagieren. Sie birgt besonders für die kleinen Verlage erhebliche Gefahren und verdrängt massiv notwendige Reformdebatten in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung.
Der VMZ vertritt 27 kleinere Medienunternehmen, die für journalistische Innovation stehen, und damit auch 200 Arbeitsplätze. Eines unserer Kernanliegen ist es, das Überleben der kleinen und unabhängigen Verlage in der Schweiz zu sichern und damit die Medienvielfalt zu erhalten. Über den aktuellen Zustand der Branche machen wir uns grosse Sorgen: die Medienkrise ist in erster Linie eine Finanzierungskrise, die neue Lösungen fordert. Das Leistungsschutzrecht (LSR) ist das nicht.
Die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA), die 2022 im Auftrag des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) durchgeführt wurde, beziffert den finanziellen Wert der Snippets für Schweizer Medien auf 12 bis 106 Millionen Franken. Besonders kleine Verlage mit geringer Reichweite profitieren stark von den Plattformen als Reichweitengeneratoren. Das führt zu einer Win-Win-Situation zwischen den Medien und den Plattformen: Die Medien erhalten Sichtbarkeit, die Plattformen qualitativ hochstehende Inhalte. Zudem ist zu bemerken, dass Medien eigenständig bestimmen können, welche ihrer Inhalte die Plattformen anzeigen – von unrechtmässiger Übernahme kann dort nicht die Rede sein.
Der kommerzielle Nutzen der Snippets für die Plattformen hält sich hingegen stark in Grenzen: Gemäss dem Sichtbarkeitsindex Sistrix sind nur 0.25 Prozent der Suchbegriffe bei Google journalistisch geprägt und damit kommerziell verwertbar. Deshalb besteht die grosse Gefahr, dass Online-Dienste die Anzeige journalistisch geprägter Information einschränken werden, wenn Medienunternehmen Anspruch auf eine Vergütung erheben. Diese Auslistung stellt gemäss Erfahrungen aus dem Ausland eine reale Gefahr dar (siehe Kanada) und würde besonders die kleinen Verlage treffen.
Weiter basiert der Vorschlag des Bundesrats auf Annahmen, die die Umsetzung schwer antizipierbar machen: Bei der Berechnung der Vergütung sollte der durch die Medienunternehmen «getätigte Aufwand» berücksichtigt werden, oder «der aus der Nutzung der journalistischen Veröffentlichung erzielte Ertrag». Diese diffusen Formulierungen lassen keine Rückschlüsse auf die genaue Funktionsweise der Verteilung zu und zudem einen enormen bürokratischen Mehraufwand für die Verlage vermuten. Die zentrale Gefahr, dass die grossen Verlage absolut gesehen enorm von der Vergütung profitieren würden, wird durch diese Regelung nicht gebannt. Dies würde zu einer weiteren Konzentration der Medienverlage führen, worunter die Medienvielfalt und letztlich auch die Demokratie leiden würden.
Die Vergütungshöhe nach dem Aufwand zu bemessen, ist zudem ein Mecano, der dem Schweizer Urheberrecht fremd ist. Diese vagen Ideen schliessen nicht aus, dass das LSR schlussendlich falsche Anreize im Journalismus setzt: Würde nach Reichweite vergütet werden, wie dies im Urheberrecht üblich ist, würden Sensations- und Schlagzeilenjournalismus gefördert werden, da dieser viele Klicks generiert. Es wäre also plausibel, dass sich diese Medien besonders stark nach den Vorgaben der Geldquelle ausrichten. Damit könnte die Kultur der öffentlichen politischen Debatten zerstört werden.
Gemäss der RFA liegt die geschätzte Vergütungssumme für die Schweizer Medien pro Jahr zwischen 2 und 46 Millionen Franken, wobei diese Schätzwerte im Bericht des IGE als eher hoch beurteilt werden. Der Erwartungswert ist mit grosser Unsicherheit behaftet und fällt aber in jedem Fall offenbar deutlich tiefer aus als beispielsweise vom Verband Schweizer Medien postuliert, der von jährlich 154 Millionen Franken ausgeht. Klar ist, dass das politische Prozedere mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird – bei sehr unsicherem Ausgang. Die Lage der Medien in der Schweiz bliebe auch durch die Einführung eines Leistungsschutzrechts prekär! Hier zu erwähnen ist ausserdem, dass sogar die RFA empfiehlt, vorläufig auf die Einführung des LSR zu verzichten.
Anstelle der Diskussion um eine regulatorische Sackgasse tut eine vertiefte politische Auseinandersetzung mit konkreten Finanzierungsmassnahmen für die Medien in der Schweiz Not. Die Verdrängungseffekte des Leistungsschutzrecht in der Debatte um Reformen in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung sind offensichtlich. Die Mehrheit der Branche verharrt auf einem Vorschlag, der sich klar als Sackgasse entpuppen wird. Dabei sind konkrete, schnell umsetzbare Massnahmen für eine nachhaltige Medienfinanzierung ausgesprochen dringlich. Hier geht es um nichts weniger als die Zukunft der vierten Gewalt in der Schweiz.