Kategorie: Allgemein

  • Eines mehr: Das Medium «Kultz» verschwindet

    Eines mehr: Das Medium «Kultz» verschwindet

    Das kulturjournalistisches Online-Magazin und VMZ-Mitglied «Kultz» stellt auf Ende Jahr seinen Betrieb ein – das Medium kann sich nicht länger über Wasser halten. Ein weiterer Rückschlag für die Branche und ein Alarmsignal an die Politik. 

    «Leider haben wir schlechte Neuigkeiten: Kultz wird auf Ende Jahr den Betrieb einstellen müssen. Wir haben es innert vier Jahren nicht geschafft, die erforderliche Eigenfinanzierung zu erreichen und können uns nicht mehr länger über Wasser halten», schreibt «Kultz» in einer Mitteilung. Bis vor kurzem habe es noch so ausgesehen, als würden sie den Rank noch kriegen, aber es habe leider nicht gereicht. «Unser Geschäftsmodell ist zu volatil und von externen Geldern abhängig, als dass es uns genügend Stabilität geben würde.»

    Der VMZ bedauert das Ende des Onlinemediums sehr. Damit wird in Zukunft eine junge und wichtige Stimme in der Zentralschweiz fehlen, die Subkulturen und marginalisierten Gruppen Beachtung schenkt. Somit verschwinden die kulturellen Echoräume weiter und die Medienvielfalt sinkt. Das Ende des Magazins ist aber auch klar ein erneutes Alarmsignal an die Politik. «Es braucht nun dringend neue Lösungen für die Medienkrise, die in erster Linie eine Finanzierungskrise ist», sagt Camille Roseau, Co-Präsidentin des VMZ. Der medienpolitische Fokus verharre derzeit auf dem Leistungsschutzrecht und der SRG-Halbierungsinitiative. Diese Vorlagen würden konstruktive Diskussionen über neue Lösungen in puncto Medienförderung und Plattformregulierung verdrängen. «Angesichts des rasanten Tempos mit dem Medien als solche und zudem Arbeitsplätze in weiterhin bestehen Medien schwinden, müssen wir unbedingt wieder über eine vektorneutrale Medienförderung sprechen», so Roseau.

  • Gemeinnütziger Journalismus als Zukunft unabhängiger Berichterstattung?

    Gemeinnütziger Journalismus als Zukunft unabhängiger Berichterstattung?

    Das neue Whitepaper «Non-Profit-Journalismus» der Autoren Leif Kramp und Stephan Weichert zeigt Perspektiven für einen gemeinnützigen Journalismus in Deutschland auf. Sie schlagen konkrete Veränderungen an den Regulierungen und Förderstrukturen vor, um dem Non-Profit-Journalismus den Rücken zu stärken. Zu welchen Ergebnissen sind sie konkret gekommen und welche Erkenntnisse könnten in der Schweiz Anwendung finden?

    Die Werbeeinnahmen der Medien schwinden, Kosten für Produktion und Vertrieb steigen. Besonders die kleinen und unabhängigen Medien stehen unter Druck. Was tun? Eine Möglichkeit ist es, Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen. Das birgt Steuervorteile und erlaubt eine Finanzierung über Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure. Um diese Lösung attraktiver zu machen, braucht es aber Anpassungen in der Branche.

    Das betonen auch Leif Kramp und Stephan Weichert in ihrem Whitepaper «Non-Profit-Journalismus» der Otto Brenner Stiftung. Kramp forscht und lehrt am fachübergreifenden Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen, Weichert ist Professor für Journalistik und Kommunikationswissenschaft und hat die Non-Profit-Organisation VOCER und das dort angegliederte unabhängige Institut für Digitale Resilienz mitgegründet. Dieses organisierte Anfang Oktober ein Festival zu Non-Profit-Journalismus in Berlin, bei dem der Verband Medien mit Zukunft (VMZ) gemeinsam mit seinen Mitgliedern WOZ, Bajour, Hauptstadt, We.publish und Tsüri.ch vertreten war.

    Die beiden Autoren schlagen etwa vor, den administrativen Weg zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu erleichtern. Bisher sei dieser Weg viel zu umständlich, besonders was die Steuerbefreiung angeht. In Deutschland wäre daraus ein Spannungsfeld aus Unsicherheiten, Abhängigkeiten und Konkurrenzen zwischen verschiedenen Akteur:innen entstanden. Sie empfehlen deswegen, die Förderstrukturen stärker zu zentralisieren: Es sollte eine übergreifende Organisation geschaffen werden­ – «zur aufeinander abgestimmten, mehrstufigen Förderung auf europäischer Ebene» unter Einbeziehung verschiedenster Förderinstitutionen wie Stiftungen, staatliche Förderstellen oder privaten Spender:innen oder Mäzen:innen.

    Eine weitere Hilfe für den Non-Profit-Journalismus könnte ein Zusammenschluss zu einer Non-Profit-Allianz sein, was ein geteiltes Begriffsverständnis von Gemeinnützigkeit ermöglichen würde. Solch eine Allianz würde zudem erlauben, eine gemeinsame Zielrichtung des Non-Profit-Sektors sowie einheitliche Kriterien für Förderungen zu etablieren. Zudem könne Non-Profit-Journalismus zum «Game Changer» für den Journalismus werden, «wenn sich die Förderkulisse und Spendenbereitschaft in den kommenden Jahren radikal wandelt», so Stephan Weichert. Um die Form des Non-Profit-Journalismus generell attraktiver zu machen, schlagen die Autoren vor, eine zentrale unabhängige Beratungs- und Anlaufstelle für journalistische Gründungswillige zu errichten, die sich auf Gemeinnützigkeit und Gemeinwohlorientierung fokussiert.

    Zeitliche Befristungen der Förderbeiträge sowie an Impact-Messungen geknüpfte Kriterien machen es für gemeinnützige Verlage noch immer schwierig, langfristig in die Zukunft zu denken.  Zudem laufen sie Gefahr, fremdbestimmt agieren zu müssen und so Spielball von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu werden. Um diese Einflussnahme zu vermeiden, plädieren die Autoren für Transparenz, «und zwar von der Selbstverpflichtung zur Einhaltung professioneller Standards über die Kennzeichnung der eigenen Einnahmen bis hin zur Ausflaggung der publizistischen Agenda».

    Schliesslich betonen sie auch die Rolle von Schnittstellenorganisationen im Feld des gemeinnützigen Journalismus, wie etwa der VMZ eine ist. Diese könnten durch die Organisation von Trainings, Studien, Weiterbildungsangeboten und Netzwerkveranstaltungen zwischen journalistischer Praxis, Förder:innen und der Öffentlichkeit agieren und zudem zwischen verschiedenen Akteur:innen neutral moderieren.

    Die Ergebnisse der Studie sind auch für die Schweiz relevant. Eine Zentralisierung der Förderinstitutionen könnte in der Schweiz den gemeinnützigen Journalismus vorantreiben. Zu prüfen wäre, wie wir diese Vorstösse auf die nationale Ebene hieven, ohne die Kantone zu vergessen, also wie sich die in der föderalen und kleinräumigen Schweiz realisieren lässt.

    Das Zusammenführen einer Non-Profit-Allianz würde bedingen, dass diverse Branchenakteur:innen die Lage endlich ehrlich beschrieben: Der Journalismus (auch in der Schweiz) ist kein profitables Geschäft mehr. Am Leser:innen- und Inserent:innenmarkt allein wird eine Finanzierung der medialen Abdeckung der Schweiz nicht zu bewerkstelligen sein, die Grundlage für eine funktionierende (direkte) Demokratie ist. Die Konkurrenz um die wenigen Fördertöpfe privater und öffentlicher Art ist nur wenig produktiv und birgt viele Reibungsverluste. Eine Allianz könnte die Aufmerksamkeit auf das Thema nachhaltige Medienfinanzierung bringen und den Entscheidungsträger:innen dieses Landes in der Politik, in den Stiftungen und in der Wirtschaft verdeutlichen, wie ernst es um die Schweizer Medienlandschaft bestellt ist. Auch die Öffentlichkeit könnte in dieser Frage besser informiert sein.

    Klar ist, dass sich die Zahlungsbereitschaft ändern muss, was eine breite Anerkennung des Stellenwerts eines unabhängigen, hochstehenden Journalismus für eine Demokratie voraussetzt. Unter anderem dafür setzt sich der VMZ als Schnittstellenorganisation ein. Angesichts der schwierigen Lage, in der sich besonders kleine Verlage in der Schweiz befinden, ist eines offensichtlich: Es braucht neue Lösungen.

  • Das neue Parlament muss sich der Medienkrise stellen

    Das neue Parlament muss sich der Medienkrise stellen

    Die Schweizer Stimmbevölkerung hat kürzlich ein neues Parlament gewählt; und währenddem etliche Medien beflissen über die Wahlen berichteten, vergisst man schnell, wie es eigentlich um die hiesige Medienlandschaft steht: Die Finanzierungsquellen brechen weg, die Vielfalt erodiert. Um die Branche nicht weiter zu schwächen, muss das Parlament in der kommenden Legislatur Haltung zeigen und sich ernsthaft mit der Medienkrise auseinandersetzen.

    Medienpolitik interessiert in der breiten Bevölkerung leider kaum. Dennoch bestimmt sie massgebend darüber, wie es um die vierte Gewalt steht und folglich auch, wie gesund eine Demokratie ist. Nachdem 2022 mehrere kleine Medien wie «Higgs», «Kolt» oder die «Medienwoche» eingingen, hörte man 2023 regelmässig von Massenentlassungen bei Grossunternehmen der Medienbranche – so etwa Ende September von Tamedia, wo rund 50 Stellen gestrichen werden, oder Ende Oktober von «20 Minuten», wo voraussichtlich 35 Stellen abgebaut werden. Diese Entwicklung ist erschreckend, kommt aber nicht überraschend: Denn die Krise ist nicht erst seit gestern akut. Umso wichtiger sind nun neue medienpolitische Lösungen. Konkret braucht es Massnahmen wie etwa eine vektorneutrale Förderung der Medien.

    Die heutige staatliche Förderung klammert Onlinemedien aus, womit sie der Verlagerung der Branche in den digitalen Raum kläglich hinterherhinkt. Aber nicht nur Onlinemedien, sondern generell kleine und unabhängige Verlage können sich wegen wegbrechender Werbegelder und wandelndem Nutzungsverhalten teils trotz staatlicher Unterstützung nur noch knapp über Wasser halten. Gleichzeitig nimmt die Konzentration des Medienbesitzes der grossen Konzerne zu, was die Medienfreiheit gefährdet. Um die Vielfalt zu erhalten, kommt die Schweiz nicht darum herum, eine neue Medienförderung aufzugleisen. Eine, die besonders den Kleinen zugutekommt. Und dass dies ein gangbarer Weg ist, bestätigte auch die VOX-Analyse nach der Abstimmung über das Medienpaket: Das Hauptargument, warum das Mediengesetz abgelehnt wurde, war, dass die grossen Konzerne zu viel Geld bekommen hätten.

    In diesen Krisenzeiten plädieren die Grossen nun für ein Leistungsschutzrecht, durch das sie sich einen Zustupf von Plattformen wie Google erhoffen. In Tat und Wahrheit verhält es sich dabei aber um eine Sackgasse: Die Vorlage birgt besonders für die kleinen Verlage erhebliche Gefahren und verdrängt massiv notwendige Reformdebatten in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung. Und falls die Vorlage überhaupt angenommen wird, werden die Medien nach mehreren Jahren im besten Falle nur Brosamen ernten.

    Daneben konzentriert sich die medienpolitische Aufmerksamkeit auf die SRG-Halbierungsinitiative, die letztendlich den Service Public zerschlagen möchte. Sie ist ein Angriff auf die Werte, die eine aufgeklärte Gesellschaft ausmachen. Als wäre das nicht schon genug, verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA stetig. Verantwortlich dafür ist jedoch nicht nur die Medienkrise, sondern auch das falsche Finanzierungsmodell: Die Verlagshäuser sind heute sowohl Kund:innen als auch Eigentümer:innen, was besonders in Krisenzeiten zu Zielkonflikten führt. Hier ist eine Umstrukturierung dringend notwendig.

    «Die Aussichten scheinen düster, doch wir wollen auch keine Schwarzmalerei betreiben. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Das neugewählte Parlament muss nun Rückgrat beweisen und sich diesen Problemen gewissenhaft annehmen. Das ist nicht nur wichtig für die vielen kleinen Medien, die Mitglieder beim Verband Medien mit Zukunft sind, sondern notwendig für eine aufgeklärte Gesellschaft und eine gesunde Demokratie», sagt Camille Roseau, Co-Präsidentin des VMZ.

  • VMZ wehrt sich gegen Schwächung des Öffentlichkeitsprinzips

    VMZ wehrt sich gegen Schwächung des Öffentlichkeitsprinzips

    Der Bundesrat plant künftig Vereinbarungen zu Preismodellen im Krankenversicherungsgesetz (KVG) vom Öffentlichkeitsgesetz auszunehmen. Das ist ein scharfer Angriff auf das Öffentlichkeitsprinzip. Der Verband Medien mit Zukunft setzt sich zusammen mit einer breiten Medienallianz (Öffentlichkeitsgesetz.ch, investigativ.ch, Verband Schweizer Medien, SRG SSR, TELESUISSE, Medien mit Zukunft, Reporter ohne Grenzen, Syndicom, SSM, MAZ) gegen die geplante Ausnahmebestimmung ein.

    In der Revision des Krankenversicherungsgesetzes sieht der Bundesrat vor, das Öffentlichkeitsprinzip bei der Festsetzung von Medikamentenpreisen ausser Kraft zu setzen: Die Schweiz galt lange als vorbildlich für ihre transparente Medikamenten-Preispolitik. Weil aber immer mehr kassenpflichtige Arzneimittel mit einem geheimen Preis auf die Spezialitätenliste gesetzt werden, steht sie nun unter Kritik. Mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes will der Bundesrat diese Preismodelle als Instrument der Preispolitik gesetzlich verankern.

    Dies seien «unumgängliche» Restriktionen zu Ungunsten der Transparenz.  Er argumentiert, der Markt sei nicht bereit, hier Transparenz zuzulassen. Es sei nötig, den effektiven Preis, der für ein Arzneimittel bezahlt werden muss, geheim zu halten. Nur so profitiere die Bevölkerung von einem schnellen Zugang zu neuen innovativen Therapien.

    Die Allianz gegen das Vorhaben des Bundesrats sieht sechs Gründe, die gegen den Vorschlag sprechen:

    • Kostentransparenz im Gesundheitswesen ist wichtig

    Der Rückschritt in Richtung Geheimhaltungsprinzip ist störend, weil ein breiter gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Konsens über die Wichtigkeit von Kostentransparenz im Gesundheitswesen besteht. Studien zeigen, dass – anders als von Interpharma behauptet – vertrauliche Preismodelle weder zu schnellerem noch zu günstigerem Zugang zu Medikamenten führen.

    • Vorhandene Ausnahmebestimmungen im BGÖ reichen aus

    Eine gute Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist auch mit den geltenden Transparenzregeln sicherzustellen. So ermöglicht es das aktuelle Gesetz zum Beispiel unter Artikel 73 bereits, Ausnahmen hinsichtlich wirtschaftlicher Interessen zu erlassen, wie etwa in Bezug auf das Geschäftsgeheimnis.

    • Eine öffentliche Kontrolle ist auch bei der Preisfestsetzung von Medikamenten wichtig

    Es ist die Aufgabe von Medienschaffenden, die Vorgänge kritisch zu begleiten, welche zur Festsetzung von Preisen für Medikamente führen. Recherchen von Medienschaffenden haben gezeigt, dass etwa bei der Preisfestsetzung von teuren Krebsmedikamenten zwischen Verwaltung und Pharmaunternehmen ein teilweise wildes Pokerspiel stattfindet. Wird das Öffentlichkeitsprinzip in diesem Bereich ausser Kraft gesetzt, können Medienschaffende oder zivilgesellschaftliche Expert:innen auf solche Missstände nicht mehr hinweisen.

    • Grosse Kritik von Parteien, Wirtschaftsverbänden und der Staatspolitischen Kommission

    Die Ausnahme vom Öffentlichkeitsgesetz wurde in der Vernehmlassung von einer Mehrheit abgelehnt. Dazu gehören Teile der politischen Parteien (SP, Grüne, EVP), der Dachverbände der Wirtschaft, der Leistungserbringer, der Patientenorganisationen und die Mehrheit der Versicherer und Konsumentenverbände. Auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats hat sich zur Revision geäussert und lehnt den Vorschlag des Bundesrates ab.

    • Transparenz entspricht der etablierten Rechtspraxis

    Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ausnahmeregelung stellt eine systemwidrige Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips dar, wie es zu Recht auch der auf das Thema spezialisierte Jurist Markus Prazeller in einer Kurzstudie darlegt. Laut der Analyse betreibt der Bundesrat damit «Wirtschaftspolitik auf Kosten der Transparenz und des Öffentlichkeitsprinzips». Diese Ausnahmebestimmung untergräbt die Absicht des Öffentlichkeitsgesetzes. Schaffen Bundesrat und Parlament hier einen Präzedenzfall, besteht die Gefahr, dass das BGÖ künftig von verschiedenen Interessengruppen angegriffen und schrittweise abgebaut wird.

    • Die WHO setzt sich für eine stärkere Transparenz in den Verfahren der Preisfestsetzung ein

    Die Schweiz unterstützt das Anliegen der WHO offiziell. Eine Aushöhlung des Öffentlichkeitsprinzips im Bereich der Medikamentenpreise würde diesen offiziellen internationalen Bemühungen der Schweiz um Transparenz in Preisfestsetzungsverfahren zuwiderlaufen.

    Hier geht es zum ganzen Argumentarium: https://www.oeffentlichkeitsgesetz.ch/deutsch/files/2023/09/Argumentarium_KVG_Oeffentlichkeitsgesetz.ch_und_investigativ.ch_.pdf 

  • «Das Leistungsschutzrecht verdrängt schwer notwendige Debatten»

    «Das Leistungsschutzrecht verdrängt schwer notwendige Debatten»

    Zum Ende der Vernehmlassung des Leistungsschutzrecht widmete das SRF ein «Medientalk» dem Gesetzesvorschlag. Camille Roseau, Co-Präsidentin des Verbands Medien mit Zukunft, war dabei. «Es müssen neue Wege gefunden werden, wie Medien finanziert werden, und dazu trägt das Leistungsschutzrecht nicht nennenswert bei», sagt Roseau im Gespräch.

    Die Vorlage verdränge verschiedene, schwer notwendige Debatten, weil die Aufmerksamkeit in Sachen Medienpolitik begrenzt sei. Missachtet werden dabei eine vernünftige KI-Regulierung, eine Plattformregulierung und das Aufgleisen einer zeitgemässen vektorneutralen Medienförderung, so Roseau weiter. Die Schweiz wolle die Kosten des eigenen demokratischen Systems verschieben oder verschliesse die Augen davor, was das für Kosten mit sich bringt: «Eine informierte Bevölkerung gibt es nicht gratis.»

    Mit Rainer Stadler (Medienjournalist), Stefan Wabel (VSM), Andreas Von Gunten (Digitale Gesellschaft) und José Guimarães (ENPA). Moderation: Salvador Atasoy

    Hier geht es zur Sendung: https://www.srf.ch/audio/medientalk/medientalk-das-leistungsschutzrecht-oder-die-google-steuer?id=12457815

  • Das Leistungsschutzrecht bleibt eine politische Sackgasse

    Das Leistungsschutzrecht bleibt eine politische Sackgasse

    In seiner Vernehmlassungsantwort lehnt der Verband Medien mit Zukunft (VMZ) das geplante Leistungsschutzrecht vollständig ab: Die Vorlage ist ungeeignet, um auf die sich zuspitzende Medienkrise zu reagieren. Sie birgt besonders für die kleinen Verlage erhebliche Gefahren und verdrängt massiv notwendige Reformdebatten in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung.

    Der VMZ vertritt 27 kleinere Medienunternehmen, die für journalistische Innovation stehen, und damit auch 200 Arbeitsplätze. Eines unserer Kernanliegen ist es, das Überleben der kleinen und unabhängigen Verlage in der Schweiz zu sichern und damit die Medienvielfalt zu erhalten. Über den aktuellen Zustand der Branche machen wir uns grosse Sorgen: die Medienkrise ist in erster Linie eine Finanzierungskrise, die neue Lösungen fordert. Das Leistungsschutzrecht (LSR) ist das nicht.

    Die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA), die 2022 im Auftrag des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) durchgeführt wurde, beziffert den finanziellen Wert der Snippets für Schweizer Medien auf 12 bis 106 Millionen Franken. Besonders kleine Verlage mit geringer Reichweite profitieren stark von den Plattformen als Reichweitengeneratoren. Das führt zu einer Win-Win-Situation zwischen den Medien und den Plattformen: Die Medien erhalten Sichtbarkeit, die Plattformen qualitativ hochstehende Inhalte. Zudem ist zu bemerken, dass Medien eigenständig bestimmen können, welche ihrer Inhalte die Plattformen anzeigen – von unrechtmässiger Übernahme kann dort nicht die Rede sein.

    Der kommerzielle Nutzen der Snippets für die Plattformen hält sich hingegen stark in Grenzen: Gemäss dem Sichtbarkeitsindex Sistrix sind nur 0.25 Prozent der Suchbegriffe bei Google journalistisch geprägt und damit kommerziell verwertbar. Deshalb besteht die grosse Gefahr, dass Online-Dienste die Anzeige journalistisch geprägter Information einschränken werden, wenn Medienunternehmen Anspruch auf eine Vergütung erheben. Diese Auslistung stellt gemäss Erfahrungen aus dem Ausland eine reale Gefahr dar (siehe Kanada) und würde besonders die kleinen Verlage treffen.

    Weiter basiert der Vorschlag des Bundesrats auf Annahmen, die die Umsetzung schwer antizipierbar machen:  Bei der Berechnung der Vergütung sollte der durch die Medienunternehmen «getätigte Aufwand» berücksichtigt werden, oder «der aus der Nutzung der journalistischen Veröffentlichung erzielte Ertrag». Diese diffusen Formulierungen lassen keine Rückschlüsse auf die genaue Funktionsweise der Verteilung zu und zudem einen enormen bürokratischen Mehraufwand für die Verlage vermuten. Die zentrale Gefahr, dass die grossen Verlage absolut gesehen enorm von der Vergütung profitieren würden, wird durch diese Regelung nicht gebannt. Dies würde zu einer weiteren Konzentration der Medienverlage führen, worunter die Medienvielfalt und letztlich auch die Demokratie leiden würden.

    Die Vergütungshöhe nach dem Aufwand zu bemessen, ist zudem ein Mecano, der dem Schweizer Urheberrecht fremd ist. Diese vagen Ideen schliessen nicht aus, dass das LSR schlussendlich falsche Anreize im Journalismus setzt: Würde nach Reichweite vergütet werden, wie dies im Urheberrecht üblich ist, würden Sensations- und Schlagzeilenjournalismus gefördert werden, da dieser viele Klicks generiert. Es wäre also plausibel, dass sich diese Medien besonders stark nach den Vorgaben der Geldquelle ausrichten. Damit könnte die Kultur der öffentlichen politischen Debatten zerstört werden.

    Gemäss der RFA liegt die geschätzte Vergütungssumme für die Schweizer Medien pro Jahr zwischen 2 und 46 Millionen Franken, wobei diese Schätzwerte im Bericht des IGE als eher hoch beurteilt werden. Der Erwartungswert ist mit grosser Unsicherheit behaftet und fällt aber in jedem Fall offenbar deutlich tiefer aus als beispielsweise vom Verband Schweizer Medien postuliert, der von jährlich 154 Millionen Franken ausgeht. Klar ist, dass das politische Prozedere mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird – bei sehr unsicherem Ausgang. Die Lage der Medien in der Schweiz bliebe auch durch die Einführung eines Leistungsschutzrechts prekär! Hier zu erwähnen ist ausserdem, dass sogar die RFA empfiehlt, vorläufig auf die Einführung des LSR zu verzichten.

    Anstelle der Diskussion um eine regulatorische Sackgasse tut eine vertiefte politische Auseinandersetzung mit konkreten Finanzierungsmassnahmen für die Medien in der Schweiz Not. Die Verdrängungseffekte des Leistungsschutzrecht in der Debatte um Reformen in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung sind offensichtlich. Die Mehrheit der Branche verharrt auf einem Vorschlag, der sich klar als Sackgasse entpuppen wird. Dabei sind konkrete, schnell umsetzbare Massnahmen für eine nachhaltige Medienfinanzierung ausgesprochen dringlich. Hier geht es um nichts weniger als die Zukunft der vierten Gewalt in der Schweiz.

  • «Der Kulturwandel in der Medienbranche muss von oben kommen»

    «Der Kulturwandel in der Medienbranche muss von oben kommen»

    Das Podium des Verbands Medien mit Zukunft (VMZ) hat vor allem eines gezeigt: Die Medienbranche hat noch immer ein grosses Sexismusproblem. Über die Erfahrungen der Podiumsgäste und diskutierte Lösungsansätze. 

    «Es ermüdet mich einfach sehr», sagte die Journalistin und Autorin Natalia Widla gleich zu Beginn des Podiumsgesprächs, entsprechend betrübt war die Stimmung im Saal des Debattierhauses «Karl*a die Grosse». Die davor gestellte Frage bezog sich auf die aktuellen Ereignisse in der Medienbranche in punkto Sexismus: Vor zwei Jahren klagten 78 Tamedia-Journalistinnen die sexistische Arbeitskultur in ihrem Unternehmen an, daraufhin wurden weitere Fälle in der Schweizer, aber auch etwa in der deutschen Medienbranche bekannt. Regelmässig hört man von Mobbingfällen, Machtmissbrauch, Diskriminierung. Was macht das mit den Journalist:innen und was kann dagegen unternommen werden?

    Über diese Fragen diskutierten am Montagabend, zwei Tage vor dem nationalen Frauenstreik, prominente Gäste in Zürich. Neben Widla hatte der VMZ Agota Lavoyer, Expertin für sexualisierte Gewalt, die Journalistin Aleksandra Hiltmann und den Autor und Journalisten Benjamin von Wyl eingeladen, durchs Gespräch führte die Journalistin Lara Blatter von Tsüri.ch. Gleich zu Beginn des Abends wurde klar, dass der Handlungsbedarf in diesem Bereich noch immer riesig ist. «Das Problem betrifft die ganze Gesellschaft», sagte Lavoyer. Jedoch sei der Sexismus in der Medienbranche besonders verheerend. 

    Das sieht auch Widla so, die eine Tamedia-Umfrage von 2019 zitierte, die ergab, dass 53 Prozent der weiblichen Medienschaffenden bereits Belästigung am Arbeitsplatz erleben mussten, was deutlich mehr ist als in anderen Berufsfeldern. Dies habe auch mit den krassen Hierarchien in der Branche zu tun, die sich eigentlich damit rühme, nicht so hierarchisch zu sein, so die Journalistin. «Das Problem sind nicht nur die auf dem Papier bestehenden Hierarchien, sondern die informellen – mit all den männlichen Star-Redaktoren und Top-Reportern.» 

    Die Unsicherheit im Journalismus sei gross, gleichzeitig gebe es einen starken Geniekult in der Szene, ergänzte von Wyl. Das habe damit zu tun, dass die Branche wenige Regulierungen kenne. Auch das würde dem Sexismus in die Karten spielen. Am Schluss gehe es auch immer um Macht, stellten die Podiumsgäste fest. «Den meisten in der Branche ist nicht bewusst, über welche Macht sie verfügen und wie einfach es ist, diese Macht zu missbrauchen», so Lavoyer. Und Macht sei omnipräsent, besonders für jene, die ihr unterlegen seien. 

    Und mit dieser Macht geht auch eine Angst einher. Was macht man, wenn ein Fall im eigenen Verlag publik wird? «Es gab Situationen, in denen ich mich nicht getraut habe, mich mit jemandem zu solidarisieren, nicht einmal, auf Social Media einen Like zu geben», sagte Hiltmann. Die Angst, selbst negative Konsequenzen davonzutragen, sei teilweise zu gross gewesen. Widla pflichtete bei: Eine offene Gesprächskultur über Sexismus fehle. Und wenn dann etwas ans Tageslicht komme, eskaliere es schnell. 

    Gegen Ende des Abends wurden verschiedene Lösungsansätze diskutiert, insbesondere jene, welche die Medienfrauen anlässlich des feministischen Streiks formuliert hatten. So müssten etwa Belästigungs- und Übergriffsfälle besser aufgearbeitet werden, wobei vordefinierte interne Prozesse helfen würden. Doch auch Zivilcourage sei notwendig, und das Solidarisieren bei Sexismusfällen und sich dann gegenseitig den Rücken zu stärken. Klar für die Gäste ist: Besonders die Männer würden in der Verantwortung stehen. Und schliesslich seien auch Veränderungen in den Teppichetagen der Verlage unerlässlich. «Der Kulturwandel muss von oben kommen», so Lavoyer. 

  • Podium: Sexismus in der Medienbranche

    Podium: Sexismus in der Medienbranche

    In den letzten Jahren sind in (Schweizer) Medienbetrieben viele Fälle von sexistischer Diskriminierung und sexualisierter Gewalt publik geworden. Diese Missstände müssen dringend angegangen werden, damit Frauen im Beruf bleiben und die Medienbranche zukunftsfähig bleibt. Wo liegen die strukturellen Probleme? Was machen Belästigung, Mobbing und Sexismus mit den Medienschaffenden? Und vor allem: wie könnten Strategien zur Bekämpfung dieser Probleme aussehen? Diese Fragen werden an unserer kommenden Podiumsdiskussion im Debattierhaus «Karl*a der*die Grosse» besprochen.

    Anlässlich des feministischen Streiks 2023 diskutieren Aleksandra Hiltmann (Journalistin), Natalia Widla (freie Journalistin, Co-Autorin «Hast Du Nein gesagt», Limmat Verlag), Agota Lavoyer (Expertin für sexualisierte Gewalt) und Benjamin von Wyl (Autor und Journalist SWI swissinfo.ch) unter der Moderation von Lara Blatter (Tsüri.ch).

    Im Anschluss wird es einen Apéro geben. In der Agenda zu markieren ist der Montag 12. Juni 2023, um 19:30 Uhr im «Karl*a der*die Grosse» (Kirchgasse 14, 8001 Zürich). Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt ist kostenlos.

  • Ein Gesetz wie eine Sackgasse – das Leistungsschutzrecht in der Schweiz

    Ein Gesetz wie eine Sackgasse – das Leistungsschutzrecht in der Schweiz

    Seit dem Scheitern des Medienpakets wird das Gesetzesprojekt zum Leistungsschutzrecht in Sachen Medienfinanzierung als einzige Hoffnung gehandelt. Der Verband Medien mit Zukunft (VMZ) als Vertreter 25 konzernunabhängiger Verlage sieht die ganze Sache kritisch.

    Der VMZ hat sich in der Vergangenheit intensiv für eine stärkere Medienförderung eingesetzt. Eines unserer Kernanliegen ist es, das Überleben der kleinen und unabhängigen Verlage in der Schweiz zu sichern und damit die Medienvielfalt, die für eine stabile Demokratie unabdingbar ist, zu erhalten. Dabei verstehen wir die Digitalisierung grundsätzlich als Chance. Das vorgesehene Leistungsschutzrecht, das neue Regulierungen im digitalen Bereich einführen will, setzt jedoch falsche Anreize und verdrängt massiv notwendige Reformdebatten in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung.

    Grundsätzlich profitieren die Medien sehr stark von Plattformen: sie sind wichtige Reichweitengeneratoren. Es ist falsch, Plattformen wie Google eine Mitnahmementalität zu unterstellen – die jeweilige Linksetzung findet nicht gegen den Willen der Medien statt. Vielmehr kann jedes Medium den Zugang für Tech-Konzerne zu den journalistischen Inhalten einfach blockieren. In diesem Zusammenhang ist ausserdem unklar, weshalb nur Medienverlage für ihre Links entschädigt werden sollen. So liefern etwa auch Onlinelexika und Blogs relevante Informationen.

    Das Leistungsschutzrecht als «Linksteuer» verstösst zudem gegen ein wesentliches Grundprinzip des Internets: die freie Verlinkung. Wer bei einer Suchmaschine einen Begriff eingibt, erhält nur deswegen viele Vorschläge, weil etliche Webseiten mit der Plattform verlinkt sind. Dadurch können journalistische Inhalte gefunden und Teil der öffentlichen Debatte werden.

    Zudem setzt das Leistungsschutzrecht fragwürdige Anreize. In erster Linie werden journalistischer Mainstream und Boulevardberichterstattung gefördert, hohe Reichweiten werden honoriert. Es besteht die Gefahr, dass die grossen Verlage überproportional von der Link-Steuer profitieren, während die kleinen Verlage benachteiligt würden. Gemäss VOX-Studie war genau diese Ungleichbehandlung eine Hauptmotivation für die Stimmbevölkerung, das Medienpaket im Februar 2022 abzulehnen. 

    Beispiele aus dem nahen Ausland zeigen, wie weit die Forderungen der grossen Verlage und die am Schluss ausgezahlten Summen auseinanderklaffen. In Deutschland wurden im Rahmen des eingeführten Leistungsschutzrechtes 420 Millionen Euro von Google gefordert. Am Schluss hat ein Schiedsgericht die Summe, die an die deutschen Medienverlage ausgezahlt werden soll, auf 5.8 Millionen Euro festgelegt. Ähnlich könnte es in der Schweiz kommen die erhaltene Summe wäre angesichts der unterschiedlichen Bevölkerungszahl sogar wohl noch bedeutend kleiner. 

    Schaut man das Leistungsschutzrecht also aus einer medien- und netzpolitischen sowie einer ökonomischen Perspektive an, wird klar: Die Nachteile überwiegen eindeutig.

    Fest steht: Eine vertiefte politische Auseinandersetzung mit konkreten Finanzierungsmassnahmen für die Medien in der Schweiz tut not. Die Debatte um das Leistungsschutzrecht verdrängt massiv notwendige Reformen in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung. Fast die ganze Aufmerksamkeit einer Branche verharrt auf einem Vorschlag, der sich aus den genannten Gründen als Sackgasse entpuppen wird. Dabei sind konkrete, schnell umsetzbare Massnahmen für eine nachhaltige Medienfinanzierung von grösster Dringlichkeit – schliesslich geht es um eine höchst demokratierelevante Branche.

  • Verband Medien mit Zukunft bedauert Ende von Higgs

    Verband Medien mit Zukunft bedauert Ende von Higgs

    Das Wissenschaftsmagazin Higgs wird Ende Juli den Betrieb einstellen. Der Verleger:innenverband VMZ sieht dieses Ende als weiteres Alarmsignal für die Branche und bedauert den Verlust.

    «Wir haben unseren Verband gegründet, um die Medienvielfalt zu erhalten. Nun ist Higgs nach der Tageswoche bereits das zweite Medium in unserem vierjährigen Bestehen, welches nicht mehr weitermachen kann», kommentiert VMZ-Co-Präsident Simon Jacoby. Das Wissenschaftsmagazin Higgs hatte vor zwei Wochen verkündet, aus finanziellen Gründen nicht mehr weitermachen zu können. «Wir bedauern diesen Verlust ausserordentlich», sagt Camille Roseau, Co-Präsidentin des VMZ. «Einerseits natürlich aus inhaltlicher Sicht, andererseits ist dieses Ende ein weiteres Alarmsignal für eine Branche, die sich im Niedergang befindet.» Für den Verband Medien mit Zukunft ist der Fall Higgs ein tragisches Beispiel dafür, dass der Medienmarkt in der Schweiz versagt und es dringend eine moderne und kräftige Medienförderung braucht. Ansonsten wird der Trend weitergehen und im Durchschnitt werden jährlich fünf Medien verschwinden.